Wenn eine Ihnen nahestehende Person hilfebedürftig wird, löst das meist ein Wechselbad der Gefühle aus. Und das ist schwer auszuhalten, vor allem wenn es die eigenen Eltern sind. Plötzlich brauchen sie Unterstützung, körperliche Beschwerden treten auf, sie werden gebrechlicher. Auf einmal verschiebt sich die bewährte Rollenverteilung. Damit ändern sich die Verantwortlichkeiten und nichts ist mehr so, wie es war. Sowohl für die Eltern als auch für die erwachsenen Kinder ist dies ein schmerzhafter Prozess, der viel mit Loslassen und Akzeptieren zu tun hat.
Auf keinen Fall sollten Sie aus Schuldgefühlen oder aufgrund moralischer Urteile von anderen diese Aufgabe übernehmen. Es ist deshalb wichtig, sich einzugestehen, welche Beweggründe dafür oder dagegensprechen.
Vielleicht möchten Sie den Eltern oder einer anderen nahestehenden Person etwas zurückgeben, können aber gar nicht so viel Zeit aufwenden, wie Sie gerne möchten. Manchmal brechen auch alte, unverarbeitete Verletzungen auf. Das macht die Situation äusserst schwierig, sowohl für Sie als auch für die zu betreuende Person.
Oft ist es dann hilfreich, sich in Erinnerung zu rufen, dass es Möglichkeiten gibt, Pflege- und Betreuung teilweise oder ganz spezialisierten externen Dienstleistern zu übergeben.
Machen Sie sich zuerst ein realistisches Bild davon, womit Sie rechnen müssen, wenn Sie diese Aufgabe annehmen.
Fragen Sie die Spitex, die Hausärztin/den Hausarzt, was auf Sie zukommt. Hören Sie sich um im Bekanntenkreis, bei Personen, die Angehörige pflegen und betreuen. So finden Sie heraus, was ein solches Engagement alles beinhaltet.
Bedenken Sie, dass mit steigendem Pflegebedarf auch Ihr Zeitaufwand steigen wird. Schauen Sie unbedingt Ihre eigene familiäre und berufliche Situation an und wie diese Sie zeitlich beansprucht. Entscheiden Sie erst dann, ob Sie dafür bereit sind und wie viel Zeit Sie für diese Aufgabe zur Verfügung stellen wollen oder können.
Und – vergessen Sie sich selbst nicht! Sie brauchen Zeit für sich, für Ihre Bedürfnisse, zum Ausspannen, um neue Kraft zu schöpfen. Sie dürfen auch Nein sagen, gerade wenn die Beziehung zwischen Ihnen und der zu betreuenden Person schwierig ist. Besser, Sie helfen mit, eine gute Lösung zu finden, als Pflege und Betreuung halbherzig zu übernehmen.
Eines Tages bemerken Sie, meine Eltern sind alt geworden.
Plötzlich sind sie nicht mehr die starken Personen, als die Sie sie in Erinnerung haben. Die Rollen verteilen sich neu. Das schmerzt. Einerseits, weil für Sie nun die Kinderzeit definitiv zu Ende geht. Anderseits wird Ihnen mit der zunehmenden Bedürftigkeit der Eltern klar, dass sie nicht ewig leben. Schlagartig wird Ihnen dabei immer auch die eigene Endlichkeit vor Augen geführt. Geben Sie sich Zeit, das Unabänderliche zu akzeptieren.
Gerade wenn es die Eltern sind, die Ihre Hilfe benötigen, stehen Sie schnell unter Druck.
Das Gefühl nicht genug Zeit zu haben, um sich noch intensiver um die Eltern zu kümmern, zerrt an Ihnen. Schliesslich haben sich die Eltern doch früher auch um Sie gekümmert. Heute haben Sie vielleicht selbst eine Familie, sind gefordert im Beruf. Wenn dann auch noch die Eltern mehr von Ihrer Zeit benötigen, dann wird es schwierig, alles unter einen Hut zu bringen.
Werden Sie sich klar, was Sie bereit sind zu übernehmen und wer Sie dabei unterstützen und entlasten könnte.
Unterdrücken Sie aggressive und ablehnende Gefühle nicht, sondern lassen Sie diese zu.
Solche Empfindungen sind völlig normal. Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen. Am besten holen Sie sich Hilfe von aussen, z.B. bei Beratungsstellen oder bei einer Vertrauensperson.
Darüber zu sprechen hilft und entlastet. Besonders auch der Informations- und Erfahrungsaustauch in einer Selbsthilfegruppe kann sehr hilfreich sein. Denn hier treffen Sie auf Menschen, die Verständnis für Ihre Situation aufbringen, weil sie Ähnliches erlebt haben.